Erfahrungsberichte

Dieser Bereich der Website wird dafür genutzt, Stimmen aus den Pilotprojekten einen Raum zu geben. Wir möchten mit Umsetzungsbeispielen und Erkenntnissen aus den verschiedenen Projekten einen Einblick geben.

Umsetzungsbeispiel

Aus dem Bundesland Tirol

Das Projekt Gemeindeverband Altersheim Ebbs veröffentlicht einmal im Monat eine Pflegekolumne mit dem Titel "Pflegewissen für zu Hause" in der beliebten regionalen Zeitung „Koasabote – Zahmer Kaiser“. Das Ziel der Beiträge ist es, die Bevölkerung regelmäßig über Pflege- und Gesundheitsthemen zu informieren und anzusprechen. Um einen besseren Praxisbezug herzustellen, wurde eine fiktive Person "die Huber Mitzi" erfunden. Einige Artikel aus der Kolumne: Pflegewissen für zu Hause finden Sie nachfolgend.

  • Die Tagespflege… eine kurze (R)Auszeit für zu Pflegende und Angehörige. Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
  • Der präventive Hausbesuch… nie zu früh und selten zu spät! Den vollständigen Artikel finden Sie hier.
  • Pflegegeld … für mich? Ich bin doch gar nicht pflegebedürftig! Den vollständigen Artikel finden Sie hier.

Erkenntnisse und Statements aus den Projekten

Motivation für das Projekt Community Nursing

Als Diakoniewerk beschäftigen wir uns schon länger mit der Frage, wie man die Langzeitpflege weniger an strukturellen Rahmenbedingungen und mehr am Willen der Personen ausrichten kann. Als der Fördercall „Community Nursing“ veröffentlicht wurde, waren wir begeistert, dass hier eine komplett neue Herangehensweise ermöglicht wird. Daher war es für uns klar, dass das eine großartige Chance ist – für eine Veränderung des Pflege- und Betreuungssystems und eine Erprobung unserer Ideen in der Praxis.

Mag. Reinhold Medicus-Michetschläger
Koordination Community Nursing im Diakoniewerk

Motiviert hat mich definitiv der präventive Zugang zu Gesundheitsthemen. In unserer Gesellschaft stehen viele Anlaufstellen erst zur Verfügung, wenn bestimmte Symptome auftreten oder eine Erkrankung bereits diagnostiziert wurde. Der salutogenetische Ansatz ist in Österreich nach kaum vorhanden. Dabei wäre es aus sozioökonomischer Sicht wichtig, der Entstehung von Krankheiten vorzubeugen und den Menschen ein hohes Maß an Selbstpflegekompetenz zu vermitteln. Nur so kann es uns gelingen, dass das Gesundheitssystem sowie stationäre Langzeitbetreuungseinrichtungen nachhaltig entlastet werden. Des Weiteren habe ich in meinem persönlichen Umfeld, ich lebe selbst in einer kleinen Gemeinde in OÖ, festgestellt, dass es eine regionale Ansprechperson zu Gesundheits- und Pflegethemen braucht. Besonders in ländlichen Gemeinden fehlt den Bewohnerinnen und Bewohnern oft die Möglichkeit Beratungsstellen aufzusuchen, weil keine bzw. nur eine eingeschränkte Mobilität gegeben ist.

Vanessa Baumgartner
Community Nurse aus der Region Königswiesen, Bad Zell in Tragwein, Oberösterreich

Bereits in meiner Ausbildung zum DGKP und im Studium der Pflegewissenschaft habe ich von diesem Berufsfeld in anderen Ländern erfahren und gesehen wie vielfältig die Pflege außerhalb der stationären Einrichtungen sein kann. Die Chance dieses Berufsfeld in Österreich mit zu entwickeln, auszuprobieren und vielleicht auch dadurch die Eigenständigkeit der professionellen Pflege voranzutreiben waren Motivation genug. 

Felix Binder
Community Nurse aus der Region Puchenau, Oberösterreich

Community Nursing ist international in vielen Ländern etabliert und auch national seit mehreren Jahren im Gespräch. Darum hat die Gemeinde Thalgau dieses Thema bereits 2018 als zukünftiges Schwerpunktthema fixiert. Die Teilnahme an der Ausschreibung war demnach ein logischer Schritt.

Christina Kubesch
Community Nurse aus Thalgau

Besonderheit des Projekts

Ich bin als Community Nurse in einer kleinen Gemeinde mit rund 3000 Einwohnerinnen und Einwohnern tätig. Viele Familien wohnen in einem Mehr-Generationen-Haushalt. Die jüngere Generation pflegt die ältere Generation – sehr oft finde ich diese Betreuungskonstellation vor. Ich kenne diese auch gut von meinem eigenen Elternhaus und kenne dadurch auch die Vor- und Nachteile, die damit einher gehen. In diesem Zusammenhang begegnen mir nun bei meinen Hausbesuchen Situationen, wo es gilt, die ein oder andere Hürde aus dem Weg zu schaffen. Wichtig ist mir dabei, dies gemeinsam mit der Familie zu tun. Für mich steht am Ende eine stabile Betreuungssituation im Vordergrund, die individuell auf die Bedürfnisse der betreuten Person aber auch der betreuenden Personen abgestimmt ist. Gelingen tut mir dies durch Information, Beratung, Anleitung und das nötige zwischenmenschliche Fingerspitzengefühl.

Vanessa Baumgartner
Community Nurse in der Region Königswiesen, Bad Zell in Tragwein, Oberösterreich

Das besondere an unserem Projekt ist, dass wir direkt im Gemeindeamt verankert sind und so unmittelbar von einem großen Teil der Bevölkerung schnell wahrgenommen werden. Das Gebäude ist ein Dreh und Angelpunkt für das Leben in Puchenau und unser Büro liegt direkt neben dem Eingang gut sichtbar. Ein weiteres besonderes Merkmal ist, dass unser Bürgermeister als Projektleiter selbst ein Pflegefachmann ist. Er war bis vor kurzem selbst als diplomierter Gesundheits- und Krankenpfleger, auch in einer Führungsposition tätig. Diese fachliche Expertise kommt uns unmittelbar zu Gute und erleichtert die Kommunikation mit anderen Mitgliedern in der Gemeindeverwaltung und Gemeindepolitik.

Felix Binder
Community Nurse aus der Region Puchenau, Oberösterreich

Wir führen Community Nursing in verschiedenen Projektregionen in vier Bundesländern durch. Wichtig ist mir als Projektleiter, dass einerseits überall dieselbe Grundhaltung gelebt wird, aber dass andererseits die Teams vor Ort selbst entscheiden können, wie sie ihre konkrete Arbeit ausgestalten. Die angesprochene Grundhaltung in unseren Projekten ist eine möglichst intensive Orientierung am Willen der Menschen und eine Einbeziehung aller Ressourcen – die der Person selbst, der Angehörigen, der Nachbar:innen, der Pflegedienstleister, aber auch die der Wirt:innen, der Transportunternehmen, der Vereine, Pfarren und Privatinitiativen. Der „Pflegebereich“ beginnt und endet ja nicht bei den Altenheimen und mobilen Diensten; es gibt unzählige Stakeholder, die hier einen Beitrag leisten müssen, wenn wir die demografischen Herausforderungen der nächsten 20 Jahre stemmen wollen. Das ist unser Ziel!

Mag. Reinhold Medicus-Michetschläger
Koordination Community Nursing im Diakoniewerk

Durch die freiberufliche Tätigkeit sind wir in der Lage völlig unabhängig zu beraten und unsere Leistungen weisungsfrei anzubieten. Kleinere und größere Anpassungen stehen aufgrund des neuartigen Angebotes bei uns an der Tagesordnung. Durch die maximale Flexibilität im Hinblick auf Arbeitszeiten, Arbeitsort sowie Tätigkeiten können wir ext-rem rasch und ohne bürokratischen Aufwand auf neue Gegebenheiten reagieren und unseren Projektplan anpassen.
Eine weitere Besonderheit ist die Arbeit im Sinne des Case Managements. Unser klarer Schwerpunkt liegt auf gesundheitsfördernden und präventiven Leistungen sowie auf der individuellen Unterstützung und Befähigung der Bürger*innen zu Selbständigkeit und eigenverantwortlichem, gesundheitskompetentem Handeln, unter Einbeziehung des in-formellen Hilfesystems. Dies schafft eine eindeutige Differenzierung zum Versorgungs-auftrag und dem Tätigkeitsfeld der mobilen Pflegedienste.

Christina Kubesch
Community Nurse aus Thalgau

Unterschiede zu anderen Settings wie zum Beispiel Krankenanstalten, Pflegeheimen oder den mobilen Diensten

Den offensichtlichsten Unterschied erkenne ich daran, dass wir prinzipiell eigenverantwortlich tätig sind und nicht einem strikten Tagesablauf z.B. dem eines Krankenhauses unterliegen. Die Abstimmung mit anderen Berufsgruppen erfolgt auf Augenhöhe und die Umsetzung von Ideen ist aufgrund kürzerer Wege einfacher als in großen Organisationen. 
Ein weiterer wichtiger Unterschied ist, dass wir „klassische“ Pflegeaufgaben wie Unterstützung bei der Körperpflege, Verbandswechsel etc. nicht oder nur im äußersten Ausnahmefall durchführen. Die Bevölkerung sieht dies als eigentliche Aufgabe der Pflege und kaum jemand die Aufgaben wie Beratung, Gesundheitsförderung oder Patient*innen-Edukation.
Es ist auch essenziell, dass wir von Anfang aufzeigen, dass sich unser Aufgabengebiet, von dem der mobilen Dienste unterscheidet.

Felix Binder
Community Nurse aus der Region Puchenau, Oberösterreich

Ich sehe – zumindest von der Herangehensweise her - sehr viele Unterschiede zur klassischen Pflege! Das geht so weit, dass ich sagen würde, Community Nursing ist für mich weniger ein „Pflegeangebot“ als vielmehr ein „Koordinations-Angebot“. Unsere Community Nurses entwickeln für die Menschen präventiv ein Betreuungsumfeld, das möglichst ihrem Willen und ihren Ressourcen entsprechen soll. Das ist eigentlich eine komplett konträre Idee gegenüber der Akutpflege oder auch der klassischen Langzeitpflege. Dort muss ja meist re-agiert werden. Ein Bedarf tritt auf, und eine Pflegekraft reagiert dann darauf. Die Community Nurses re-agieren nicht, sie agieren proaktiv, um auf mögliche Bedarfe vorzubereiten und sind in erster Linie für die präventive Gesundheitsförderung da.

Mag. Reinhold Medicus-Michetschläger
Koordination Community Nursing im Diakoniewerk

Die Unterschiede zur klassischen Pflege liegen auf der Hand. Wir sind ein kostenloses Beratungs- und Koordinations-Angebot mit dem Ziel, präventiv im Sozialraum zu wirken. Wir leisten keine hochspezialisierte Versorgung wie beispielsweise ein Krankenhaus in einem Akutfall. Wir bauen Beziehungen in der Gemeinde auf, vernetzen die wichtigsten Partner:innen im System und organisieren, gemeinsam mit den Menschen, die für sie passenden Betreuung und Pflege. Wir gehen aktiv auf Sie zu und kommen zu einem Hausbesuch vorbei. Wir sind die Unterstützung, um sich im Pflegesystem Österreich zurechtzufinden und, um Versorgungslücken sichtbar zu machen.

Vanessa Baumgartner
Community Nurse in der Region Königswiesen in Bad Zell in Tragwein

Die Tätigkeit als Community Nurse unterscheidet sich grundlegend von der „klassischen Pflege“. Es ist daher deutlich einfacher die Gemeinsamkeiten aufzuzählen: Wir arbeiten wie alle DGKP´s nach dem Pflegeprozess.
Ein Hausbesuch bei einer 86 jährigen Dame die schlecht schlafen kann und bereits mehrfach gestürzt ist, ein 70 jähriger Herr der einsam ist und daher mehrmals wöchentlich die Hausarztambulanz aufsucht, eine Mutter mit einem Kind, die etwas „natürliches“ für Zahnungsschmerzen sucht, eine Familie mit einer privaten 24 Stunden Betreuerin, die eine Pflegeanordnung benötigt, ein 77-jähriges Ehepaar, das sich mit
den Worten „wir wollen alles wissen, was wir tun können, um so lange wie möglich gesund zu Hause zu bleiben – kommen Sie bitte und helfen Sie uns dabei …“ melden … das und vieles mehr begegnet uns bei unserer täglichen Arbeit. Wir suchen gemein-sam mit unseren Klient*innen nach vorhandenem Wissen und Kompetenzen und bauen diese aus. Wir arbeiten stark ressourcenorientiert und legen Wert auf ein sehr gutes Vertrauensverhältnis. Unsere Tätigkeit ist nicht planbar, wir sind mit täglich wechseln-den Anfragen konfrontiert – dies macht unsere Aufgabe aber auch sehr spannend. Wir betreuen viele unsere Klient*innen auf Dauer, das Intervall der Kontakte ist sehr unter-schiedlich und reicht von mehrmals wöchentlich (in akuten Phasen) bis zu ein Mal jährlich.

Christina Kubesch
Community Nurse aus Thalgau

 

Letzte Aktualisierung: 8. Februar 2023