Sozialamt der Stadt Graz – Fachbereich Pflege/Planung/Controlling
Stadt Graz Sozialamt
Ausgangslage, Überlegungen zum Projekt sowie Zielsetzungen:
Der Fördernehmer beabsichtigt mit dem Projekt „Community Nursing Gries“, die Gesundheits- und Pflegebedürfnisse von Menschen mit niedrigem sozial-ökonomischen Status mit und ohne Migrationshintergrund zu erfassen, die Gesundheitskompetenz der Wohnbevölkerung in der Projektregion zu fördern und den Zugang zum Gesundheits- und Pflegesystem zu verbessern. Das Pilotprojekt startet im Juli 2023 und wird bis 31. Dezember 2024 in einem innerstädtischen Teil des Bezirks Gries durchgeführt, der über eine außergewöhnliche Sozialstruktur aufweist. Durch den Aufbau von Kooperationen mit Primärversorgungszentren, Kassenarztpraxen sowie durch die Kooperation mit bestehenden Einrichtungen und Angeboten im Gesundheits- und Sozialwesen sollte es gelingen, niederschwellige Zugangsmöglichkeiten zu schaffen und nachgehende und aufsuchende Methoden einzusetzen. Dabei spielen ressourcenorientierte Zugänge, etwa beim Versuch die sozialen Netzwerke durch Vermittlung einer Reihe von Angeboten für sog. nicht-medizinische Gesundheitsbedürfnisse gezielt zu fördern, eine große Rolle. Als Voraussetzung bietet der Fördernehmer dem neuen Tätigkeitsfeld professionelle Arbeitsbedingungen in einer auf Pflege spezialisierten Beratungseinrichtung.
Setting:
Das Pilotprojekt bezieht sich auf einen eingegrenzten, innerstädtischen Bereich des Bezirks Gries. In der Projektregion sind ca. 4.500 Personen mit Hauptwohnsitz gemeldet. Im gesamten Bezirk Gries leben am 01. 01. 2023 30.050 Personen mit Hauptwohnsitz, davon 16.019 männli-chen und 14.031 weiblichen Geschlechts (inter/divers unbek.). Im gesamten Bezirk Gries leben am 01.01.2023 2478 Personen im Alter von über 70 Jahren, das sind 8,2 %, davon 956 männlichen und 1522 weiblichen Geschlechts. Die Projektregion ist von der Mur, der Brücken-kopfgasse, dem Griesplatz, der Rösselmühlgasse, der Josef-Huber-Gasse, dem Eggenberger Gürtel, der Anenstrasse und dem Grieskai begrenzt. Die Besonderheit der Projektregion liegt im außergewöhnlich hohen Anteil von Bewohner:innen mit Migrationshintergrund. Genau 50% der Bewohner:innen des gesamten Bezirks Gries besitzen am 01.01.2023 die österreichische Staatsbürgerschaft. Im Projektgebiet gibt es zahlreiche Geschäftslokale und zwei Krankenhäu-ser. Gegenwärtig besteht die Situation, dass die Versorgung mit mobilen Pflegedienstleistungen in der Projektregion, wie im Bezirk Gries, im Allgemeinen seit längerem mangelhaft ist, da aus Ressourcenmangel Wartezeiten bestehen und umfangreiche Betreuungsverhältnisse nur eingeschränkt eingegangen werden können. Ebenso ist die allgemeinmedizinische Versorgung nur mangelhaft ausgeprägt. So sind nicht nur sehr wenige Kassenstellen besetzt, diese nehmen derzeit nur vereinzelt neue Patient:innen auf. Das Primärversorgungszentrum Allgemeinmedizin Gries nimmt auf die allgemeine Versorgungslage positiven Einfluss.
Zielgruppe:
Es ist davon auszugehen, dass insbesondere Menschen mit Migrationshintergrund in der Projektregion leben, die früher im Lebensverlauf mit erhöhten Erkrankungsrisiken konfrontiert waren, insbesondere, wenn sie einen niedrigen sozial-ökonomischen Status aufweisen. Eine zweite Gruppe sind ältere Menschen ohne Migrationshintergrund, die in diesem Stadtgebiet vereinzelt in Wohnsiedlungen und mehrgeschossigen Wohnhäusern wohnen. Hinsichtlich der sozialen Voraussetzungen für Gesundheit sind diese Wohnviertel angesichts des Platzangebots, der Qualität und Ausstattung in der Regel überteuert. Ein Teil der Wohnungen ist überbelegt. Es ist davon auszugehen, dass die Wohn- und Lebensbedingungen für einen Teil der Menschen im Projektgebiet weit unterdurchschnittlich ausgeprägt sind.
Weitere Zielgruppen:
Angesichts der epidemiologischen Ausgangslage ist in der Projektregion mit einem früheren Eintreten chronischer Erkrankungen zu rechnen. Ebenso ist mit einem überdurchschnittlichen Vorkommen chronisch psychischer Erkrankungen zu rechnen. Der Anteil von Menschen, die von Sozialleistungen abhängig sind, ist überdurchschnittlich hoch ausgeprägt. Daher ist zu erwarten, dass gesundheitliche und soziale Problemlagen sehr häufig in kumulierter Form anzutreffen sind und besondere Handlungsstrategien benötigen.
Aktivitäten und Methoden:
Erhebung und Monitoring
Die CN bittet beim Stadtbauamt der Stadt Graz um einen Stadtplan für ihren Projektbezirk. Anhand dessen, werden mehrere Sozialraumbegehungen mittels Windshield Survey durchge-führt. Aufgrund des Datenschutzes war es nicht möglich die vereinbarte Zielgruppe (75 Jahre oder älter) aktiv für präventive Hausbesuche zu kontaktieren. Deshalb wurden Veranstaltungen genutzt, um das Angebot sichtbar zu machen und zu bewerben. Es folgten mehrere Bedarfser-hebungen im Projektbezirk, welche sowohl mit Gesundheitsdienstleistern als auch mit Bewoh-nern an öffentlichen Plätzen durchgeführt wurden. In Kooperation mit der Stadt Graz, der Ärztekammer und Statistik Austria konnten im Projektbezirk gute Daten (teilweise anonymisiert) gesammelt werden.
Information, Edukation und Beratung
Aufsuchende Hausbesuche werden durchgeführt. Die Haupt Zuweiser sind: Hausärzte, Apothe-ken, Mobile Dienste, Stadtteilzentren sowie Sprengelsozialarbeiter. Die Gründe der Zuweisun-gen sind sehr vielfältig. In einigen Fällen handelt es sich um Klient:innen in sehr prekären Lebenssituationen. Zusätzlich kann es vorkommen, dass auch Kenntnisse im Bereich soziale Arbeit nötig waren. Aufgrund dessen, absolvierte die Community Nurse auch Hausbesuche in Kooperation mit den Amtssachverständigen aus dem Fachbereich Pflege/Planung/Controlling oder mit Angehörigen der Sprengelsozialarbeit. Durch die Zusammenarbeit mehrerer Berufs-gruppen, kann noch besser auf die individuellen Bedürfnisse und Gegebenheiten der Klient*innen eingegangen werden.
Persönliche Vorsprachen wurden angeboten. Das Ziel dieser Vorsprachen ist die Wissensvermittlung in Bezug auf Gesundheitsförderung und Prävention. Jedoch zeigt sich im Rahmen des Projektes, dass auch Beratungen bei bereits bestehenden Pflegebedarf im Bezirk gewünscht wurde.
Pflegeinterventionen, Koordination und Vernetzung
Im Rahmen der ersten Hausbesuche führte die CN eine pflegerische, soziale und materielle Ersteinschätzung durch und versucht sowohl die Zuweiser als auch die Familien der Klient:innen sowie alle beteiligten Gesundheitsdienstleister zu vernetzen. Im Zuge dessen, wird eine individuelle Gesundheitsberatung durchgeführt. Bei bereits bestehendem Pflegeaufwand, vermittelt und koordiniert die CN geeignete Versorgungsarrangements für die Klient:innen. Wenn nötig unterstützt sie auch bei Anträgen, organisiert Pflege- und Medizinprodukte oder führt Einzeleinschulungen zu gewünschten Themen durch. (Blutzuckermanagement, Insulinmanagement uvm.)
Fürsprache und Interessensvertretung
Da im Projektbezirk der Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund stark ausgeprägt ist, beginnt die CN kostenlose Pflegekurse in verschiedenen Sprachen anzubieten. Diesbezüglich wurden Räumlichkeiten gemietet und Dolmetscher organisiert. Die Kurse wurden hauptsächlich in den Sprachen Türkisch und Arabisch angeboten. Weiterführend wurden bei sprachlichen Barrieren auch Hausbesuche und Vorsprachen mittels Videodolmetsch angeboten. Im Rahmen der beginnenden Recherche im Projektbezirk wurde festgestellt, dass es bereits sehr viele bestehende Angebote im Bereich Social Prescribing und soziale Teilhabe im Alter gibt. Aufgrund dessen, nimmt die CN in diesem Bereich eine Linkworker Funktion ein.
Projektstrukturen und Projektrollenverteilung:
Da das Projekt erst nachträglich für die Umsetzung nominiert wurde, startete die CN mit Juli 2023. Die Einschulungsphase fand zu einem großen Teil durch die Amtssachverständigen des Fachbereiches Pflege/Planung/Controlling statt. Im Laufe des Projektes wurde zusätzlich zur Projektleitung eine stellvertretende Projektleitung hinzugezogen. Übergeordnet wurde eine Fachbereichsleitung für alle Gemeindepolitischen Themen hinzugezogen.
Vernetzungen und Kooperationen:
Krankenhäuser, Pflegedrehscheibe, Gesundheitsdrehscheibe, Kassenärzte, Primärversorgungs-zentren, Sprengelsozialarbeiter, Stadtteilzentren, Bandagisten, Apotheken, Vereine, Selbststän-dige DGKP und Personenbetreuer:innen, Vertretungsnetz, mobile Dienste
Resümee und Lernerfahrung:
Community Nursing ist eine sehr umfangreiche und vielseitige Tätigkeit, welche ein sehr hohes Maß an Wissen und Expertise in mehreren Bereichen voraussetzt. Obwohl die Tätigkeit als sehr sinnstiftend erachtet wird, konnte bereits in der Einschulungsphase der CN festgestellt werden, dass trotz über 10 Jahren Berufserfahrung, Vorkenntnisse im extramuralen Bereich von Vorteil gewesen wären. Durch die Einschulung und Unterstützung der Amtssachverständigen des Fachbereiches Pflege/Planung/Controlling, konnte sich die CN jedoch schnell erforderliche Kenntnisse aneignen und bei Unklarheiten Rücksprache halten. Das Mindestmaß von 2 Jahren Berufserfahrung erscheint dem Projekt-team rückwirkend als zu gering. Rückwirkend betrachtet, hat sich der Beginn des Projektes als besonders effektiv erwiesen, da hier eine sehr nachhaltige Vorarbeit geleistet wurde. Durch die Sozialraumbegehungen und Bedarfserhebungen konnte schnell eine gute Darstellung der derzeitigen Gegebenheiten im Bezirk erreicht werden.