Marktgemeinde Gaming
Marktgemeinde Gaming
Kurzzusammenfassung des Projekts
Projektkonzept
Ausgangslage
Die Projektgemeinde ist eine überalternde Gemeinde. Laut Regionalprofil Gesundheit wird der Anteil an über 65-jährigen Bürger:innen bis zum Jahr 2030 ungefähr ein Drittel der Bevölkerung betragen. Als deutlich vom Mittelwert abweichend lassen sich kardiovaskuläre Erkrankungen, die Prävalenz von dementiellen Erkrankungen und die verringerte Inanspruchnahme von Vorsorgeleistungen feststellen. Zu Projektbeginn wurde aufgrund von empirischen Beobachtungen, die durch die Vertrautheit der Community Nurse und des Projektteams mit den Lebenswelten der interessierenden Bevölkerungsgruppen als gemeinsame geografische Community begründet sind, vermutet, dass Wissen im Rahmen von Gesundheitskompetenz, Einstellung zu Gesundheitsvorsorge, Gesundheitsförderung und Krankheitsprävention wenig ausgeprägt sind und gesundheitsschädigende Verhaltensweisen in der Bevölkerung vorherrschen. Die Determinante Selbstfürsorge konnte dabei nur unzureichend eingeschätzt werden, weil der Projektbeginn noch in die Ausläufer der Corona-Pandemie mit all ihren sozialen Wirkungen lag. Soziale Netzwerke wurden dabei als, vor allem durch die Pandemiefolgen, unzureichend eingeschätzt. Eine weitere Komponente, die sich negativ auf soziale Netzwerke auf kommunaler Ebene auswirkt, sind die dislozierten Familienverhältnisse, die bei den Ausführungen zum Setting näher beschrieben werden. Die medizinische Versorgung musste als unzureichend eingeschätzt werden. Vor allem die hausärztliche Versorgung im ländlichen Raum stellt ein Problem für die Menschen im Projektgebiet dar, da diese schwer erreichbar ist. Fachärztliche Versorgung und Primärversorgungsangebote am Wochenende gibt es nicht. Freizeitangebote wurden als zentralisiert im Ortskern und nur für bestimmte Personengruppen zugänglich eingeschätzt. Sozioökonomisch herrscht eine Mischung aus Wohlstand und Armut jedoch geringe Arbeitslosigkeit vor. Die Infrastrukturangebote sind im entlegen-ländlichen Raum im Projektgebiet unzureichend.
Setting
Die Gemeinde ist flächenmäßig die zweitgrößte Gemeinde im Bundesland mit einer Ausdehnung von weit über 200 Quadratkilometern. Dementsprechend weit sind Wege um zu Angeboten zu gelangen. Es gibt einen bevölkerungsstarken Ortskern und zahlreiche Katastralgemeinden, die mehr oder weniger bevölkerungsstark sind. Einzellagen sowie Rotten weisen die Besonderheit auf, dass hier ein verstärkter sozialer Zusammenhalt feststellbar ist als im bevölkerungsstarken Ortskern. Die Bevölkerungsstruktur zeichnet sich durch Überalterung, vorwiegend ein-Generationen-Haushalte, in denen Eltern oder Großeltern von Wegzüglern leben und zahlreiche verwitwete Menschen, die durchwegs in großen Häusern oder Wohnungen allein leben, aus.
Zielgruppen
Als primäre Zielgruppe wurden über 75-jährige Bürger:innen mit oder ohne (chronische) Gesundheitsprobleme definiert. Gleich zu Projektbeginn wurde aber eine Begründete Öffnung für jüngere Personen nicht ausgeschlossen. Als weitere Zielgruppe wurden pflegende und/oder betreuende Angehörige definiert. Im Projektverlauf wurde die Zielgruppe um Young-Carers sowie 24h-Betreuungskräfte erweitert.
Zielsetzungen
Die übergeordneten Projektziele wurden wie folgt definiert:
- Das Angebot Community Nursing in der Gemeinde stellt eine Ergänzung auf Ebene der Primärversorgung für ältere, chronisch Kranke und Angehörige dar und wird niedrigschwellig in Anspruch genommen. Es finden Zuweisungen von Klient:innen durch andere Gesundheitsdienstleister im Sinne der Zusammenarbeit statt.
- Das Angebot Community Nursing in der Gemeinde fördert Gleichheit bei der Inanspruchnahme von Gesundheits- und Sozialleistungen und bei der Erreichung von individuellen und gruppenspezifischen Gesundheitszielen.
- Das Angebot Community Nursing in der Gemeinde fördert den Abbau von Schnittstellen zwischen Gesundheitsdienstleistern und trägt zum Nahtstellenmanagement bei. Am Ende des Projekts wird ein regelmä0iger Dialog zwischen Gesundheitsdienstleistern, die auf die Versorgung auf Gemeindeebene Einfluss nehmen, festgestellt.
- Am Ende der Projektlaufzeit wird das Angebot Community Nursing in der Gemeinde von den Bürger:innen als sinnvolle Einrichtung wahrgenommen.
Projektdurchführung
Aktivitäten und Methoden im zeitlichen Ablauf
- Vernetzungsaktivitäten und Kooperationspartnerschaften mit in der Gemeinde tätigen Gesundheitsdienstleistern
- Erstellung eines Gemeinde-Gesundheitsversorgungs-Atlas
- Durchführen anlassbezogener und präventiver Hausbesuche
- Anbieten von Sprechstunden
- Kontinuierliche Erfassung regionaler Bedarfe während fallbezogener Leistungserbringung
- Durchführung von Windshield-Surveys in zwei Survey-Runden
- Teilnahme an Veranstaltungen der primären Zielgruppe
- Mitwirkung in der Arbeitsgruppe „Gesunde Gemeinde“
- Regelmäßige Veröffentlichung von Gesundheitskolumnen in der Gemeindezeitung mit Fokus auf Gesundheitsförderung, Vorsorge und Pflege
- Bevölkerungsbefragung zu den Themen persönlicher Umgang der Bürger:innen mit der eigenen Gesundheit, mit Vorsorge und zur Inanspruchnahme von Unterstützung
- Gründung eines Vereins zur ehrenamtlichen Nachbarschaftshilfe in der gesamten Gemeinde
- Co-Initiierung von Caremanagement-Treffen in der Region auf Bezirksebene
- Interventionsplanung zum Transitional-Care Management
- Schulungsangebot für die Bevölkerung im Gemeindezentrum
- Planung und Gründung eines Vereins zur ehrenamtlichen Förderung der Mobilität in der
Gemeinde - Podiumsdiskussion und Schulvorträge zum Thema Young Carers
- Interventionsplanung zur Verbesserung im Rahmen der End-of-Life-Care
Projektstrukturen und Projektrollenverteilung
Die Projektstruktur wurde von Beginn an bewusst schlank gehalten. Aufgrund der Fachexpertise fungierte die operativ tätige Community Nurse als fachliche Projektleitung. Als stellvertretende fachliche Projektleitung wurde die geschäftsführende Gemeinderätin für Gesundheit- und Soziales ausgewählt. Die organisatorische Projektleitung wurde von der/vom Bürgermeister:in wahrgenommen. Mit der Stellvertretung der organisatorischen Projektleitung wurde die administrative Projektmitarbeiterin, die die Aufgaben der budgetären Kontrolle und Berichtslegung sowie die administrative Unterstützung der fachlichen Projektleitung fungierte und die Projektdokumentation und -ablage betreute, betraut. Die Projektsteuerungsgruppe bildete der Gemeinderat als interner Projektauftraggeber und die organisatorische Projektleitung.
Umgesetzte Vernetzungen und Kooperationen
Die Vernetzung und Kooperation erstreckte sich von wichtigen Persönlichkeiten (Pfarrer, Apotheker, Trafikant, Vereinsobleute, etc.) in der Gemeinde über die Hausärztin, die Blaulichtorganisationen, die Hauskrankenpflegeorganisationen, das Bezirkskrankenhaus und weiter umliegende Krankenanstalten, alle identifizierbaren öffentlichen und privaten Gesundheitsdienstleister, Therapeuten und Therapieeinrichtungen in der Gemeinde und in der Region (Bezirk), Rechtsanwälte, Notare, Banken, Geschäfte, etc. bis hin zur lokalen Politik und politischen Entscheidungsträgern auf Bezirksebene. Von Beginn an forciert wurde eine Kooperation zwischen allen Einzelprojekten in der Gesundheitsregion und geschlossenes Auftreten.
Abweichungen
Abweichungen gab es lediglich im Bereich Projektablauf. Hier wurden nach der initialen Erhebung und aus Erfahrungen durch Vernetzung mit anderen CNs in der Region im Gruppenorientierten Ansatz die Angehörigenstammtische nicht durchgeführt, weil diese einerseits bereits durch NGOs und Freiwilligenarbeit abgedeckt waren (dieser Fakt wurde erst im Rahmen der Erhebung herausgefunden), andererseits bestanden schon negative Erfahrungen anderer CNs über die Erreichbarkeit der Zielgruppe mit diesem Angebot. Zudem wurden Schulungen im Gemeindezentrum aufgrund fehlender zeitlicher Ressourcen hintangestellt und nicht im geplanten Umfang durchgeführt. Die Implementierung von Transitional Care Interventionen in die Regelpraxis konnte zwar gestartet, nicht jedoch als Standardleistung verankert werden (zeitliche und organisatorische Gründe), ebenso wie die Bestrebungen zur Optimierung der EOL-Care Situation in der Pilotregion (aus gleichen Gründen). Hier wäre noch mehr Zeit zu investieren.
Lernerfahrungen
Folgende Learnings gehen aus diesem Pilotprojekt hervor:
- Netzwerkarbeit als eines der wichtigsten Handlungsfelder beim Neuaufbau von CN in der Region
- Projektmarketing ist extrem wichtig
- Projekt als geschützter Rahmen war wichtig, je mehr CN als Regelangebot wahrgenommen wird, desto wichtiger wird Konsistenz im Leistungsangebot und Arbeitszeitallokation
- Transparenz gegenüber anderen Berufsgruppen (lernendes System) ist beim Aufbau eines solchen Angebotes sehr wichtig
- Schlüsselelemente zum Erfolg, Strategien und Methoden:
- Niedrigschwelligkeit (einfach Erreichbarkeit, unterschiedliche Kanäle zum Angebot, physische Verankerung in der Gemeinde – eigene Praxisräumlichkeiten, Barrierefreiheit)
- breites Leistungsspektrum (DGKP als Allrounder)
- Anlegen einer systemischen Perspektive in der Arbeitsgestaltung
- Kostenneutralität für den Leistungsempfänger
- Auf Unparteilichkeit bestehen
- Gesundheitspolitische Aktivitäten setzen
- Jeden Kontakt zur Zielgruppe für Präventionsarbeit nützen
- Versuchen, für alle Stakeholder etwas Positives aus dem Angebot herauszuholen
- Herausforderungen:
- Selbständiges Arbeiten
- Hohes Maß an Disziplin und Selbstorganisation wichtig
- Konsequentes Einfordern von Abstimmungsgesprächen mit Projektteam
- Konsequentes Einfordern von für die Arbeit notwendigen Informationen je nach Organisationsform
- Kontakt zu Kollegen anderer Projekte über größere Distanzen aufrecht erhalten
- Gegenseitige Unterstützung und Begleitung in der Region
- Richtiges Abschätzen der Dimensionen und Ebenen von Einflussfaktoren auf das Projekt und die Umsetzung der Leistungen