Sozialhilfeverband Freistadt
Sozialhilfeverband Freistadt
Ausgangslage und Überlegungen zum Projekt (Gesundheitsdeterminanten-Ansatz)
Aufgrund der hohen Pflegebedürftigkeit, der Steigung des Alters der Bevölkerung und damit dem steigenden Betreuungsbedarf in den kommenden Jahren war für den SHV Freistadt die Implementierung einer Community Nurse (CN) im Bezirk aufgrund des Projektes besonders interessant. Um bestmöglich für die kommenden Jahre gerüstet zu sein und die Betreuungssituationen der pflegenden Angehörigen zu vereinfachen, sollte gezielt in der Prävention angesetzt werden und die CN für die Beratungen der Bevölkerung etabliert werden. Menschen im ländlichen Gebiet wie im Bezirk Freistadt nutzen das Sozial- und Gesundheitssystem generell erst im dringenden Bedarf, wodurch die Prävention geringe Bedeutung hat. Durch diese kostenlose Möglichkeit für die Bevölkerung wurde gehofft, dass dadurch der Zugang zur Prävention geschaffen wird. Aufgrund der fehlenden Langzeitbetten in den Alten- und Pflege-heimen (APH) wird mehr auf die Verantwortung der Angehörigen gesetzt. Die Angehörigen sind auch jetzt bereits hauptsächlich für die Betreuungs- und Pflegeleistungen zuständig. Für diese muss die Betreuung jedoch zeitlich und persönlich möglich sein, weshalb jegliche Unterstützungsleistungen relevant sind. Zusätzlich sollen die pflegenden Angehörigen nicht komplett aus dem Wirtschaftssystem entzogen werden, da diese für die Arbeit benötigt werden. Ein möglichst langer Verbleib in den eigenen vier Wänden bzw. eigene Lebensweise ohne viel Unterstützungsangebot der mobilen Dienste beispielsweise soll angestrebt werden. In vielen Gemeinden im Bezirk wurden bereits freiwillige Angebote initiiert (Pfarre, Sozialausschuss, ...). Diese sollen ebenfalls mit der CN zusammenarbeiten und dadurch die Bevölkerung unterstützen. Da die Altersgruppe der 65-75-Jährigen in den beiden Gemeinden relativ hoch ist, müssen diese Bewohner:innen bei den zukünftigen sozialpolitischen Planungen und Implementierungen mitberücksichtigt werden. Damit soll potentiellen Problemlagen frühzeitig begegnet werden.
Setting (Projektregion samt Bevölkerungsstruktur, geographische und andere Besonderheiten, spezifische Bedarfe):
Der Sozialhilfeverband Freistadt hat mit den Nachbargemeinden Gutau und Schönau i. M. zwei Gemeinden im südöstlichen Teil des Bezirkes für das Projekt ausgewählt mit einer Gesamteinwohnerzahl von 4.626 EinwohnerInnen. Beide Gemeinden boten die Möglichkeit, die Auswirkung von Community Nursing in unterschiedlichen Settings deutlich zu machen. Einerseits sind beide Gemeinden in eine sehr ländliche Struktur eingebettet, jedoch mit unterschiedlich verfügbaren Angeboten im Pflege- und Betreuungsbereich (z. B. zwei unterschiedliche Anbieter der mobilen Hilfe) und dem Zugang (z. B. Ortschaften, die sehr abgelegen sind – Zustellung von Essen auf Rädern) zu diesen. Andererseits findet sich eine heterogene Einwohnerstruktur, wodurch die Diversität der beiden ausgewählten Projektgemeinden noch deutlicher wird. Beide Pilotgemeinden galten vor Projektbeginn als (leichte) Zuzugsgemeinden.
Die Einwohnerstruktur unterscheidet sich in der Altersgruppe der 65-75-Jährigen deutlich zwischen den Gemeinden. In der Gemeinde Gutau beträgt dieser Anteil 9,6 % (256 Personen) an der Gesamteinwohnerzahl (Hauptwohnsitz). In Schönau i. M. allerdings sind dies im Gegensatz dazu 18,4 % (359 Personen) der Gemeindebürger:innen (Hauptwohnsitz). Von wesentlicher Bedeutung im Hinblick auf die Notwendigkeit der Implementierung einer Community Nurse ist auch der Anteil der Alleinlebenden in diesen Altersgruppen. In der Gemeinde Gutau leben 26,9 % (61 Personen) der über 75-Jährigen allein in einem Haushalt. In Schönau i. M. macht der Anteil der Alleinlebenden über 75 Jahre 9,3 % (14 Personen der Gesamtsumme der über 75 Jährigen) aus.
Wie oben bereits erwähnt werden die Pflege- und Betreuungsleistungen in den beiden Pilotgemeinden zu einem großen Teil von den Angehörigen erbracht. Der Sozialhilfeverband Freistadt hatte bereits vor dem Projekt verschiedene Unterstützungsangebote für die pflegenden Angehörigen (wie die KBP, SBS) und auch andere Organisationen wie beispielsweise Pfarre oder Sozialausschuss boten Unterstützungsleistungen für ältere Menschen. Durch den Einsatz einer Community Nurse sollte eine Maßnahme implementiert werden, wodurch potenzielle Bedarfe frühzeitig erkannt werden und dementsprechend darauf in den unterschiedlichsten Ebenen reagiert werden kann.
Folgende Zielgruppen wurden betreut:
- Ältere zu Hause lebende Menschen mit drohendem oder bestehendem Informations-, Beratungs-, Pflege- und/oder Unterstützungsbedarf in pflegerischen und gesundheitlichen Belangen
- Pflegende/betreuende Zu-/Angehörige
- Menschen vor Eintreten einer etwaigen Pflegebedürftigkeit (präventiv, proaktiv; auch vor 75 Jahren)
Zielsetzungen
Ressourcenorientierung und Empowerment der Zielgruppe, damit die Rahmenbedingungen für einen gesunden Verbleib der älteren Menschen im eigenen Zuhause geschaffen werden können.
Das Wohlbefinden von Pflegebedürftigen und deren Familien wird gesteigert. Die Gesundheitskompetenz (=die Fähigkeit, Gesundheitsinformationen zu finden, zu verstehen, zu beurteilen und anzuwenden, um im Alltag angemessene Entscheidungen zur Gesundheit treffen zu können) wird gestärkt. Die gesundheitsbezogene Lebensqualität der Betroffenen und deren Familien wird erhöht. Die Selbsthilfefähigkeit von Pflegebedürftigen und deren An- und Zugehörigen wird unterstützt. Der Verbleib älterer Menschen im eigenen Zuhause wird gefördert.
Die Lebensqualität im Sozialraum wird erhöht. Ein niederschwelliges, bürgernahes Angebot ist vorhanden. Das Versorgungsangebot im Sozialraum wird erweitert. Der soziale Zusammenhalt wird gefördert. Ungedeckten Bedarfen bestimmter Bevölkerungsgruppen wird begegnet.
Attraktivierung des Lebensmittelpunktes. Die Abwanderung aus der Gemeinde wird verhindert. Verbesserung der Datenlage innerhalb der Gemeinde. Bundesweit einheitliches Verständnis von Community Nursing.
Projektdurchführung
- Aktivitäten im zeitlichen Ablauf lt. aktualisiertem Projektplan
Aktivitäten: Vernetzung, Datenerhebung, Öffentlichkeitsarbeit, Hausbesuche, Stammtische für Pflegende Angehörige, Vorträge, Mittagstisch in Gutau initiieren, Telefonate mit älteren Menschen und pflegenden Angehörigen, Teilnahme an Messen und diversen Sitzungen - Projektstrukturen und Projektrollenverteilung lt. Projektaufbau- und Rollenliste
- umgesetzte Vernetzungen und Kooperationen
ständiger Kontakt/Austausch mit SHV Geschäftsstelle, Gemeindeausschuss, Bürgermeister der Gemeinden, Pfarre, KBP, Sozialberatungsstellen, Ärzt:innen, CN OÖ und bundesweit- allfällige Abweichungen inkl. Begründung
Aufgrund des Personalwechsel wurde mit der Einarbeitung in den Gemeinden und dem Vernetzen immer wieder neu begonnen. Aufgrund des vorzeitigen Endes des Dienstverhältnisses mit einer CN und dem fehlenden Ersatz (keine geeigneten Bewerbungen) konnte die Gemeinde Schönau nicht wie geplant bis zum Projektende betreut werden.
- allfällige Abweichungen inkl. Begründung
Fazit - Resümee der Lernerfahrungen
Es bedarf einer guten Vernetzung mit allen sozialen Akteuren in den Gemeinden, damit die CN gut arbeiten kann.
Eine Zuteilung der potentiellen Kunden über die Ärzt:innen wäre grundsätzlich sehr wünschenswert – dies würde eine Arbeitserleichterung für die Ärzt:innen darstellen und das Gesundheitssystem nicht mehr so sehr überlasten. Jedoch müssen die Ärzt:innen die Zuweisung auch aktiv machen.
Datenschutz ist ein großes Thema – es gibt in den Gemeinden viele Personen, welche potentielle Kund:innen wären, jedoch ist die Kontaktaufnahme aufgrund des Datenschutzes nicht einfach.
Die Bevölkerung muss vom Angebot wissen und dieses auch freiwillig nutzen – zwingen ist nicht möglich.
Grundsätzlich wäre es ein sehr gutes Angebot und würde potenziellen Problemlagen oftmals frühzeitig begegnen und dadurch eine Betreuung durch externe (z. B. APH) verhindern. Hinderlich ist jedoch, dass wie oben angeführt, das Angebot oftmals erst im dringenden Bedarf nutzen, wodurch die Prävention geringe Bedeutung hat.
Viele potentielle Kund:innen haben Scheu Hilfe in Anspruch zu nehmen und somit in Kontakt zu treten.
Der ständige Wechsel der CN ist für die Arbeit definitiv nicht förderlich, das Vertrauen der Bevölkerung geht verloren und die Bereitschaft der anderen Akteure wieder von vorne zu beginnen wird geschmälert.
Aus Sicht des SHV Freistadt wäre das Krankenhaus (KH) Entlassungsmanagement ein wichtiger Partner – oftmals werden Menschen sehr bald vom KH entlassen und benötigen dann Unterstützung, damit es nicht zu einem Rückfall bzw. Verfall der Gesundheitssituation kommt.
Es gibt grundsätzlich viele Möglichkeiten wie CN an die Bevölkerung herantreten und welche Dienste angeboten werden können. Jedoch sind nicht alle Angebote (Stammtisch, Vorträge, Turnen, ...) für jeden Bezirk passend und das geeignete Angebot muss herausgefunden werden. Hausbesuche und Pflegeberatungen sind allerdings überall relevant und bieten wichtige Unterstützung für die Bevölkerung.
Soweit aufgrund der bundesweiten CN Vernetzung bekannt wurde, ist der Bedarf überall unterschiedlich. Da die Versorgung der mobilen Dienste im Bezirk Freistadt gut funktioniert und auch andere Organisationen Unterstützungsleistungen anbieten, ist der Bedarf einer CN im Bezirk Freistadt vermutlich weniger dringend als in anderen Regionen.
Der Begriff CN wurde bis zum Ende des Projektes bei der Zielgruppe nicht angenommen und auch durch Öffentlichkeitsarbeit nur bedingt verstanden. Ein deutscher Wortlaut wäre definitiv förderlich gewesen.