Stadtgemeinde Neulengbach
Stadtgemeinde Neulengbach
Ausgangslage und Überlegungen zum Projekt (Gesundheitsdeterminanten-Ansatz)
Das Netzwerk zu Institutionen wie Hauskrankenpflege (HKP), Ärzten, Vereinen und diversen regionalen Stakeholdern wurde über die gesamte Projektlaufzeit aufgebaut und stetig erweitert. Mit Ende 2024 funktionierte das aufgebaute Netzwerk einwandfrei und bot für die die Neulengbacher Bevölkerung eine fachlich qualifizierte Anlaufstelle, um Beratungen und weiterführende Hilfestellungen in Anspruch zu nehmen. Dabei vermittelten die unterschiedlichen Stakeholder des Netzwerks die benötigten Hilfeleistungen und Kontakte, das führte insgesamt zu einer Optimalen Nutzung der vorhandenen Ressourcen.
Zu Beginn des Projektes wurden von den Community Nurses Bedarfserhebungen durchgeführt, und auf dieser Grundlage wurden gezielt Workshops und Vorträge für die Bevölkerung initiiert und organisiert. Zum Beispiel wurden, um dem Fokus Einsamkeit im Alter und Demenz vorzubeugen, Stammtische und Workshops sowohl für betroffene Personen als auch für deren pflegende Angehörige organisiert. Ein weiteres Beispiel für die Ergebnisse der Bedarfserhebung ist das Anbieten bzw. aktive Einfordern/Annehmen der Bevölkerung von präventiven Hausbesuchen. In diesem Zusammenhang funktionierte während dem gesamten Projekt die Zusammenarbeit mit dem Entlassungsmanagement der Spitäler und Polizei/Sozialarbeit sowie BH St. Pölten.
Die Dokumentation wurde während der gesamten Projektlaufzeit über ein angekauftes System durchgeführt, um eine adäquate Abbildung des Pflegeprozesses zu gewährleisten.
Im Hinblick auf die Einbettung der Community Nurses in die Gemeindestruktur wurde in der Stadtverwaltung eine eigene Abteilung für Community Nursing aufgebaut und in die Aufbauorganisation der Verwaltung eingegliedert. Schnittstellen gab es insbesondere zu der Abteilung „Bürgerservice“, von welcher häufig Anfragen weitergeleitet wurden. Ebenso gab es eine enge Zusammenarbeit mit der Abteilung „Kultur- und Öffentlichkeitsarbeit“, in welcher Gemeindeveranstaltungen und -konferenzen organisiert werden, wie zum Beispiel die Gesundheitsmesse.
Auch auf politischer Ebene wurde das Projekt Community Nursing parteiübergreifend unterstützt. Anregungen der Community Nurses insbesondere im Bereich Gesundheit, aber auch Infrastruktur (z.B. Barrierefreiheit) wurden wo immer möglich berücksichtigt und implementiert.
Das Jahrhunderthochwasser im Herbst 2024 demonstrierte auf tragische Weise die hohe Relevanz einer engen Zusammenarbeit zwischen Stadt, Einsatzkräften und Freiwilligen. Die Community Nurses waren dabei eine der zentralen Stellen, da sie über die vulnerablen Gruppen in der Bevölkerung informiert waren und Einsatzkräfte gezielt darauf hinweisen konnten. Auch bei der Versorgung der evakuierten Personen leisteten die Community Nurses einen zentralen Beitrag.
Setting (Projektregion samt Bevölkerungsstruktur, geographische und andere Besonderheiten, spezifische Bedarfe)
Neulengbach hat rund 8.600 Einwohner und liegt zwischen Wien, St. Pölten und Tulln. Es ist geprägt durch ein Ortszentrum, und insgesamt 15 Katastralgemeinden mit sehr ländlichem Charakter. Daher wurde während der gesamten Projektlaufzeit darauf geachtet sowohl Veranstaltungen und Treffpunkte im Ortszentrum abzuhalten, als auch durch Hausbesuche Personen aus den Katastralgemeinden zu informieren und auf das Angebot aufmerksam zu machen.
Zielgruppe(n) (Differenzierung in primäre und erweiterte Zielgruppen)
- Primäre Zielgruppe waren Personen ab 75, sowie Personen mit körperlicher Beeinträchtigung und chronisch kranke Personen.
- Jedoch wurden im Laufe des Projekts immer mehr Anfragen von Personen ab 18 Jahren eingebracht. Personen unter 18. Jahren wurden an andere Stellen (Frühe Hilfen...) verwiesen.
Das Angebot der präventiven Beratung sowie des präventiven Hausbesuches wurde somit von Personen ab 18 Jahren genutzt.
Immer wieder erhielten die CN Anfragen aus anderen Gemeinden, die keine CN hatten. Diesen Personen wurden telefonische bzw. schriftliche Auskünfte erteilt, jedoch waren – wie Projekt vorgesehen – für Personen aus anderen Gemeinden keine Hausbesuche möglich.
Die Anfragen im akuten und Kriseninterventionsbereich nahmen im Laufe des Projekts ab und die Vorsorgeberatungen konnten – in Austausch mit Hausärzten und Fachärzten – ausgebaut werden.
Für die Zielgruppen war die Bezeichnung „Community Nurse“ schwierig zu verstehen, da dies ein englischer Begriff ist, welcher für sie wenig Aussagekraft und Bedeutung hat. Im Laufe der Projektdauer haben sich die Menschen daran gewöhnt. Hier wurde von Seiten der Community Nurses und der Gemeinde persönlich und in Form von Auftritten und PR viel Aufklärungsarbeit geleistet.
Zielsetzungen
- Prävention
- und dadurch langfristige Entlastung des bestehenden Gesundheitssystems
Umsetzung der Ziele durch:
- Direkte Ansprechpartner vor Ort für gesundheitliche Themen und damit gezielte Hilfestellung
- Schaffung von fixen Strukturen in der Gemeinde für die Zielgruppen
- Stärkung der Gesundheitskompetenz der Bevölkerung von Neulengbach
Formate zur Umsetzung der Ziele:
- Stammtisch gegen soziale Isolation & Einsamkeit
- Stammtisch für Angehörige von Demenziell Erkrankten Personen
- Workshops für Pflegende Angehörige zum Thema Mobilisation & Positionierung/ Essen und Dysphagie/ Inkontinenz
- Kostenlose Workshops (Sicher mit dem Auto Mobil ab 65 Jahren/ Smartphone, ID Austria; Sturzprävention, …)
- Vorträge zu Themen wie Demenz, Erwachsenenvertretung, Schmerz, Vorsorgevollmacht, Schlaganfall, Hören…)
- Gesundheits- und Präventionsmesse in Neulengbach sowie Gesundheitstag
- Teilnahme der CN an Messen wie Frauenmesse und Demenztag
- Regelmäßige Vernetzungstreffen mit Ärzt:innen und Therapeut:innen sowie Personen, die im Gesundheitsbereich tätig sind.
- Enge Zusammenarbeit mit Vereinen und Selbsthilfegruppen, Hospiz und Palliativteams
- Die direkte Zusammenarbeit mit Klient:innen und Ärzt:innen konnte aufgebaut werden, diese wurden durch regelmäßige Treffen ausgebaut. Auch Gruppen wie das Kriseninterventionsteam oder die ACN sowie der PSD waren immer wieder involviert.
PROJEKTDURCHFÜHRUNG
Aktivitäten und Methoden
Aktivitäten:
- Präventive Hausbesuche und Folgebesuche sowie Einzelfallberatungen
- Stammtische -Workshops -Seminare -Vorträge -Gesundheitsmesse
Regelmäßige Vernetzungstreffen:
- mit Ärzten oder Therapeuten
- Polizei, Feuerwehr und Rettung (Themen wie: Demenz oder Verwahrlosung)
- Acute CN, HKP, Hospiz Noe sowie Sozialarbeiter der BH St. Pölten
- Bezirksarbeitskreis Noe
- runder Tisch mit diversen Institutionen wie Hilfswerk, Caritas, RK, Volkshilfe und Hospiz Noe
Projektstrukturen und Projektrollenverteilung
Monitoring u. Erhebung
- Zentrale Rolle im Bereich Vernetzung
- Unparteiischer kostenloser Auskunft
- CN sind kein Ersatz für fehlende HKP oder Ärzte
- Beratung -Information -Vernetzung – Vermittlung
- Fragebögen und direkte Befragung von Personen -Bedarf sichtbar machen!
- Gespräche mit Gemeinde zum Thema: Tagesbetreuung, Mobilität, Sicherheit
- Direkte Vernetzung mit dem Gemeinderat
- Information/Edukation u. Beratung
- Zunahme der PHB und Beratungen im Büro
- Beratungen und Gespräche bei Vorträgen und Workshops
- Zusammenarbeit mit Gesunder Gemeinde/Tut gut
- Vernetzungstreffen haben stattgefunden und werden weitergeführt (Ärzte sowie Therapeuten und andere GDA)
- Pflegintervention, Koordination und Vernetzung
- Vernetzung zu HKP, Palliativ und Hospizteams, sowie Diätolog:innen, Ärzt:innen finden in regelmäßigen Abständen statt.
- Vernetzungstreffen für alle Gesundheitsanbieter bei dem auch die ACN, Hospiz Noe und weitere nicht direkt vor Ort agierende Gesundheitsanbieter teilnahmen war ein großartiger Beitrag zur Vernetzung und besseren Zusammenarbeit.
- Treffen mit Senioren- und Pensionistenvereinen in regelmäßigen Abständen
- Direkte Pflegeinterventionen wurden im Rahmen von Anleitungen für die Informelle Pflege durchgeführt.
- Auch im Rahmen von Workshops wurden Anleitungen mit dem Schwerpunkt Positionierung und Mobilisation oder IKV vermittelt.
- Fürsprache und Interessenvertretung
- Stammtische bieten eine gute Möglichkeit für die Menschen ihre Wünsche und Sorgen an uns weiterzuleiten und wir können direkt in der Gemeinde oder bei Institutionen die Anliegen oder Probleme diskutieren.
- Stadtgemeinde ist sehr bemüht so gut wie möglich alle Anfragen und Wünsche umzusetzen oder ggf. zu Berücksichtigen. Es würde auch schon mehrmals vor allem bei Problemen mit Anträgen oder Behörden interveniert und praktikable Lösungen geschaffen.
Umgesetzte Vernetzungen und Kooperationen
- Vernetzung mit regionalen, aber auch überregionalen Dienstleister*innen
- Zusammenarbeit mit den lokalen Ärzt:innen -wir bekommen Anfragen von Personen auf Anraten der jeweiligen Hausärzt:innen.
- Die Zusammenarbeit mit den Hauskrankenpflegeanbietern funktioniert mittlerweile ausgezeichnet und es ist keine Konkurrenzgedanke mehr vorhanden.
- Bewohner von Neulengbach nützen das Angebot der CN
- Es gibt auch unlösbare Anfragen z.B keine MED HKP (Personalmangel), kein PH-Platz oder Betreutes Wohnen sowie Tagesbetreuung
- Die alternative Lösung ist für die Klient*innen mit Zusatzkosten verbunden
- Anfragen aus anderen Gemeinden zeigen das auch hier eine Implementierung sinnvoll wäre Wir entlasten Hausärzte und Institutionen und beugen so Überlastung vor.
- Potenzielle Probleme werden erkannt und können durch unsere Intervention vermieden werden. Wir merken auch das immer mehr Personen ohne Verwandte oder Freunde aufs Land ziehen die dann bei Problemen keine Ansprechpartner oder Anlaufstelle finden. Hier stehen wir auch als Ansprechpartner und Unterstützer zur Verfügung.
- Teilweise ist auch die Digitalisierung nicht nur bei älteren Menschen ein Problem hier helfen wir auch gerne weiter.
Das Mobilitätsproblem der älteren Bevölkerung ist leider noch nicht vollständig gelöst
In regelmäßigen Treffen werden mit den HKP´s Fälle besprochen und Lösungen erarbeitet. In vielen Fällen werden auch die behandelnden Hausärzte hinzugezogen.
FAZIT - Resümee der Lernerfahrungen
- Es gibt auch unlösbare Anfragen, zum Beispiel aufgrund von fehlenden Strukturen (z.B. Personalmangen in der Hauskrankenpflege oder kein Pflegeheim-Platz). Alternative Lösungen sind für die Klient:innen oft mit hohen Zusatzkosten verbunden.
- Anfragen aus anderen Gemeinden zeigen, dass eine flächendeckende Implementierung des Community Nursing sinnvoll wäre.
- Durch das Projekt Community Nursing werden Hausärzt:innen in der Gemeinden nachhaltig entlastet. Potenzielle Probleme werden erkannt und können durch die Intervention der CN vermieden werden.
- Das Mobilitätsproblem der älteren Bevölkerung ist leider noch nicht vollständig gelöst.
- Wichtig wäre das das Zielgruppen Alter gesenkt wird da die Gesundheitsförderung schon in der Schwangerschaft beginnen sollte und das Gesundheits-Bewusstsein schon in jungen Jahren geprägt wird.
- Das Angebot sollte auch weiterhin kostenlos zur Verfügung stellen da so auch Personen mit niedrigen Einkommen oder keinem Einkommen eine Beratung und Hilfestellung geboten wird.
- Die erfolgreiche Umsetzung des Projektes hängt von zwei zentralen Faktoren ab:
Die Gemeinde – Verwaltung und Politik – muss das Projekt unterstützen und mittragen. Dies ist in Neulengbach sehr erfolgreich gelungen. In anderen Gemeinden, wo das mitunter nicht der Fall war, war beobachtbar, dass eine erfolgreiche Umsetzung nicht erfolgte.Die fachliche Qualifikation und persönliche Eignung der als CN angestellten Personen ist zentral für die erfolgreiche Etablierung des Community Nursing in einer Gemeinde. Community Nurses benötigen für die vielfältige und vielseitige Arbeit eine hohe soziale Kompetenz und ein gutes Einfühlungsvermögen. Es hat sich gezeigt, dass die Arbeit einer Community Nurse nicht vergleichbar mit der Arbeit einer DGKP im Krankenhaus ist. Es sollte daher viel Zeit in den Auswahlprozess der CN investiert werden und die Erwartungshaltungen an die CN sollten vorab klar definiert und kommuniziert werden.